Jupitermond Ganymed: Ozean unter dem Eis
Tief unten plätschert es - könnte jedenfalls sein. Forscher wollen auf dem Jupitermond Ganymed Hinweise auf einen Ozean aus flüssigem Wasser gefunden haben. Er würde unter einer dicken Eiskruste verborgen liegen.
Die meisten Menschen dürften schon einmal von Galileo Galilei gehört haben - und die wenigsten von Simon Marius. Dabei haben der Professor aus Padua und der Hofastronom aus Ansbach beinahe gleichzeitig die vier größten Jupitermonde entdeckt. Im Januar 1610 war das - und welcher Sternengucker die Nase damals vorn hatte, sorgte unter Zeitgenossen für ernsten Streit. Die Zeit hat die Sache entschieden: Heute sind die vier Himmelskörper als Galileische Monde bekannt.
"Es gab bereits Hinweise von der Raumsonde 'Galileo'", sagt Joachim Saur von der Universität Köln. "Diese haben wir nun bestätigen können." Der Geophysiker, der gerade ein Semester an der Johns Hopkins University in Baltimore forscht, ist einer der Autoren eines aktuellen Fachartikels im "Journal of Geophysical Research". Darin beschreibt er zusammen mit einem Dutzend Kollegen, wie sie dem Ozean unter dem Eis mit dem "Hubble"-Teleskop auf die Spur kamen.
Kippende Polarlichter
Die Forscher konnten das Wasser nur indirekt nachweisen - und zwar mit Hilfe von Polarlichtern, die hoch über Ganymed tanzen. Schuld an diesem Effekt ist das Magnetfeld des riesigen Mondes, der größer ist als der sonnennächste Planet Merkur. Das Magnetfeld lenkt kosmische Partikel so ab, dass sie die extrem dünne Sauerstoffatmosphäre Ganymeds zum Leuchten bringen. Doch auch das kräftige Magnetfeld des nahen Jupiter beeinflusst den Mond und seine Polarlichter. Es variiert alle zehn Stunden - und lässt so die Leuchterscheinungen flackern.
"Das Magnetfeld von Ganymed sorgt dafür, dass die Polarlichter entstehen, Jupiters Magnetfeld lässt sie schaukeln", fasst Joachim Saur zusammen. Nur schaukeln die Polarlichter aber deutlich weniger, als man annehmen müsste. Statt um sechs bis sieben Grad bewegen sie sich laut Saur nur um zwei Grad. Das habe man mit "Hubble"-Bildern aus den Jahren 2010 und 2012 nachweisen können.
Die Erklärung dafür, so der Forscher, könne nur ein salzhaltiger Ozean in der Tiefe des Mondes sein. Man habe Hunderte Computersimulationen gerechnet. Ihnen zufolge lassen sich die Beobachtungen nur durch das Vorhandensein großer Mengen flüssigen Wassers erklären. "Das scheint ein robuster Effekt zu sein", sagt Saur.
Ralf Jaumann vom Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Berlin war an der Studie nicht beteiligt. Den Ansatz von Saur und Kollegen findet er nach eigenem Bekunden aber plausibel. "Ich bin mir ziemlich sicher, dass es den Ozean gibt."
Man könne sich Ganymed wie eine Art großes Sandwich vorstellen, erklärt Joachim Saur. Auf eine vielleicht 150 Kilometer dicke Eiskruste folge ein etwa 100 Kilometer tiefer Ozean, der dann wieder von einem 700 Kilometer dicken Eismantel abgelöst werde. Darunter liegen Gestein und schließlich ein Eisenkern.
Gigantische Springbrunnen
Ganymed ist nicht der einzige Jupitermond, auf dem ein Ozean unter der Eiskruste schwappen könnte. Auch auf seinen kleineren Geschwistern Kallisto und Europa soll es laut früherer Messungen flüssiges Wasser geben. Schuld daran könnten auch die von Jupiter verursachten Gezeitenkräfte auf den Monden sein. Vor allem die wohl 100 Kilometer tiefen Meere von Europa faszinieren die Himmelsforscher. Womöglich sind sie die Heimat exotischer Lebensformen.
Die europäische Forschungssonde "Juice" soll sich Europa aus der Nähe ansehen. Der Start ist für das Jahr 2022 geplant, später soll sie mehrfach an Europa und Kallisto vorbeifliegen, bevor sie in einen Orbit um Ganymed einschwenkt. Die US-Weltraumbehörde Nasa, die ursprünglich mit den Europäern zusammen das Jupitersystem erkunden wollte, plant jetzt eine eigene Mission. In ihrem Budget steht seit einigen Jahren jeweils ein zweistelliger Millionenbetrag für entsprechende Studien. Der "Europa Clipper" würde um den Jupiter kreisen und den Mond bei bis zu 48 Vorbeiflügen erforschen - wenn er denn jemals gebaut wird.
Für Astrobiologen wären die bisher auf den Weg gebrachten Sonden ohnehin nur Vorgeplänkel. Wer mehr über die eisigen Jupitermonde erfahren will, muss irgendwann dort landen. Nur so könnte man Leben unter der Eiskruste tatsächlich auf die Spur kommen. Ideen, wie man unter den frostigen Panzer vorstoßen könnte, gibt es bereits. Ihre Umsetzung dürfte aber noch Jahrzehnte dauern.
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