ANZEIGE

Ozean unter dem Eis: Jupitermond Europa schießt Wasserfontänen ins All

Von Christoph Seidler

Jupitermond Europa: Kosmische Wasserspiele Fotos
Courtesy of K. Retherford/ SWRI

Am Südpol des Jupitermondes Europa rauschen riesige Fontänen aus Wasserdampf ins All. Das haben deutsche Forscher mit Hilfe des "Hubble"-Weltraumteleskops herausgefunden. Die Hoffnung auf die Entdeckung von Leben unter dem Eispanzer des Mondes steigt.

Aus der Ferne betrachtet sieht der Jupitermond Europa aus wie ein großer Schneeball. Im Sonnensystem gibt es kaum Himmelskörper, die eine hellere Oberfläche haben. Das liegt daran, dass seine oberste Schicht aus kilometerdickem Wassereis besteht. Wie massiv der frostige Panzer genau ist, lässt sich bisher schwer sagen. Forscher gehen von zehn bis fünfzehn Kilometern aus. Darunter soll ein womöglich bis zu 100 Kilometer tiefer Ozean aus flüssigem Wasser liegen.

Ein Team unter der Leitung zweier deutscher Forscher legt nun allerdings gewichtige Indizien dafür vor, dass dieses Wasser nicht nur die Oberfläche des Mondes erreicht, sondern sogar bis zu 200 Kilometer weit ins All ausgestoßen wird - mit Geschwindigkeiten von 700 Metern in der Sekunde, wie eine Modellrechnung ergab. In Daten des "Hubble"-Weltraumteleskops wollen Wissenschaftler um Lorenz Roth und Joachim Saur von der Universität Köln Hinweise auf entsprechende Fontänen am Südpol von Europa gefunden haben. Die Bilder stammen vom Dezember 2012.

"Wir haben die Suche nach Wasser und Wasserfontänen schon mit mehreren 'Hubble'-Kampagnen vorangetrieben" so Saur. "Aber erst nachdem eine Kamera auf dem Weltraumteleskop in einer der letzten Space-Shuttle-Missionen wieder repariert wurde, konnten wir die Sensitivität erreichen, um die Fontänen beobachten zu können." Die Forscher haben ihre Ergebnisse am Donnerstag bei der Tagung der American Geophysical Union (AGU) in San Francisco vorgestellt, außerdem wurden sie zeitgleichvom Fachmagazin "Science" veröffentlicht.

Aktivität schwankt

Wissenschaftler kennen bereits einen vergleichbaren Fall. 2005 entdeckte die Raumsonde "Cassini" eisige Fontänen am Südpol des Saturnmonds Enceladus. Insofern erscheinen die nun von Roth und Saur vorgestellten Beobachtungen durchaus plausibel. Darauf verweist auch Nicolas Altobelli von der Europäischen Weltraumorganisation (Esa), der an der aktuellen Arbeit nicht beteiligt war: "Das vorgestellte Szenario klingt sehr wahrscheinlich, weil es für Enceladus am Saturn ganz ähnliche Bedingungen gibt." Die Ergebnisse seien "sehr bedeutsam".

In beiden Fällen, bei Enceladus und jetzt auch bei Europa, sprühen die Fontänen nicht gleichmäßig. Die Aktivität hängt offenbar davon ab, wo sich der Mond gerade in Bezug auf seinen Mutterplaneten befindet. Die kosmischen Wasserspiele auf Europa waren nur dann zu beobachten, wenn der Mond auf seiner leicht elliptischen Bahn am weitesten vom Jupiter entfernt war. Das ist wohl auch der Grund, warum das Phänomen vorher noch nicht beobachtet wurde.

Und da ist noch etwas: Die bereits bekannten Eisfontänen des Enceladus hinterlassen eine Spur, nachdem sie den Mond verlassen haben. Sie versorgen unter anderem einen der Saturnringe mit Material. Im Fall von Europa konnte solch ein Ring um den Jupiter bisher nicht entdeckt werden. Auch Beobachtungen, wonach zurückfallende Eispartikel die Polregion des Mondes gewissermaßen abschmirgeln, gibt es bisher nicht.

Der Mechanismus hinter den Fontänen könnte in etwa so funktionieren: In den Außenbereichen unseres Sonnensystems ist der Einfluss der Strahlung unseres Zentralgestirns nur noch sehr schwach. Es braucht also eine andere Wärmequelle, um das Phänomen zu ermöglichen. Wahrscheinlich sorgen Gezeitenkräfte dafür, dass sich Wassermoleküle tief unter der eisigen Oberfläche Europas aneinander reiben und dadurch erwärmen. Durch Risse und Spalten im Eis kann der Wasserdampf dann nach oben entweichen.

Esa-Mission soll Europa beobachten

Europa, der vom Durchmesser her mit dem Erdenmond vergleichbar ist, und Enceladus faszinieren Planetenforscher schon seit längerem - weil ihre verborgenen Ozeane auch exotischen Lebensformen eine Heimat bieten könnten. "Flüssiges Wasser wird generell als Grundvoraussetzung für Leben - zumindest Leben, wie man es auf der Erde kennt - erachtet", sagt Roth, der mittlerweile am Southwest Research Institute in San Antonio,Texas, arbeitet. "Daher rückt die Entdeckung der Wasserdampf-Fontänen den Mond Europa weiter in den Mittelpunkt der extraterrestrischen Forschung."

Lebensbausteine könnten einst durch einen Asteroiden oder Kometen auf Europa deponiert worden sein. Hinweise auf einen besonders spektakulären Crash will Nasa-Forscher Jim Shirley vom Jet Propulsion Laboratory im kalifornischen Pasadena am Freitag ebenfalls bei der AGU-Tagung vorstellen. Er will sie zusammen mit Kollegen in alten Daten der bereits 2003 im Jupiter verglühten Sonde "Galileo" aufgespürt haben. Es handelt sich um Tonminerale, sogenannte Schichtsilikate. Diese stellten "ein neues Kapitel" bei der Suche nach Leben auf dem Mond Europa dar, so der Forscher.

Die betreffenden Infrarotaufnahmen von "Galileo" stammen von 1998 und haben nach heutigen Maßstäben eine niedrige Auflösung. Shirley und seine Kollegen hatten sie digital nachbearbeitet - und waren dabei auf einen verräterischen Ring gestoßen: Er hat einen Durchmesser von 40 Kilometern und liegt rund 120 Kilometer von einem bekannten Einschlagkrater entfernt. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass ein 1,7-Kilometer-Komet oder ein 1,1-Kilometer-Asteroid dort niedergegangen sein könnte - und womöglich Lebensbausteine auf den eisigen Mond gebracht habe.

ANZEIGE
Esa-Forscher Nicolas Altobelli vermutet, dass eine Heizung durch Gezeitenkräfte womöglich häufig bei Eismonden auftritt, die um riesige Gasplaneten kreisen. Das würde auch bereits bekannte Exoplaneten noch einmal interessanter machen. Denn viele von ihnen sind Gasriesen, die weitab von ihren Heimatsternen ihre Bahnen ziehen. Wenn sie Monde hätten, könnten diese möglicherweise ebenfalls lebensfreundlich sein.

Bevor man über mögliche Bewohner solch ferner Welten spekuliert, könnte man allerdings erst einmal auf Europa nachsehen. Immer wieder haben Raumfahrtingenieure Missionen erdacht, bei denen der eisige Ozean mit Forschungsrobotern erkundet würde. Doch mehr als ein paar technische Fingerübungen hat es bisher kaum gegeben. Denn die Reise zum Jupiter wäre extrem teuer.

Immerhin: Die Esa-Sonde "Juice" soll nach 2030 mehrmals am Mond Europa vorbeifliegen. Dimitrij Titow, der bei der Esa für "Juice" verantwortliche Wissenschaftler, hofft darauf, dass sich per Radar Blasen von flüssigem Wasser bereits kurz unter der Oberfläche des Mondes finden lassen. Nach den neuen Ergebnissen sieht er dafür nach eigenem Bekunden eine "hohe Wahrscheinlichkeit".

Dem Autor auf Twitter folgen:

Diesen Artikel...
Aus Datenschutzgründen wird Ihre IP-Adresse nur dann gespeichert, wenn Sie angemeldeter und eingeloggter Facebook-Nutzer sind. Wenn Sie mehr zum Thema Datenschutz wissen wollen, klicken Sie auf das i.

Auf anderen Social Networks teilen

insgesamt 27 Beiträge
Alle Kommentare öffnen
Seite 1 von 6    
1. Beprobung
westenmax 12.12.2013
200km hohe Fontänen aus Eiskristallen. Kann man damit vielleicht die Zusammensetzung des Ozeans bestimmen, aus dem das Wasser stammt? Vielleicht ist auch aus der Nähe eine Analyse des Lichtspektrums möglich, das diese Wolke gestreift hat. Falls sich herausstellt, dass der Ozean unter der Eiskruste aus Batteriesäure oder Natronlauge besteht, kann man Expeditionen gleich zuhause lassen.
2. genial
ThomasSchmidt 12.12.2013
Solche Teleskope sind schon faszinierend , ich bin dafür dass meine Steuergelder ind die Entwicklung davon wandern
3. Die...
Öhrny 12.12.2013
[Zitat von sysopanzeigen...]Am Südpol des Jupitermondes Europa rauschen riesige Fontänen aus Wasserdampf ins All. Das haben deutsche Forscher mit Hilfe des "Hubble"-Weltraumteleskops herausgefunden. Die Hoffnung auf die Entdeckung von Leben unter dem
...Gezeitenwirkung dürfte in weit stärkerem Maße auf den Gesteinskern der Europa wirken, als auf das Wasser. Dort wird sehr viel Wärme erzeugt, siehe den inneren Jupitermond Io.
4. wow!!!
javagirl22 12.12.2013
Wasser wie bei uns, huh? Es wäre echt cool, wenn man dort leben finden würde. Vielleicht fischartige Wesen, die an die Gase und Temperaturen dort angepasst sind. Cool! ich frage mich, was sonst noch alles über dieses Thema an Infos folgt. :D
5.
meineidbauer 12.12.2013
[Zitat von sysopanzeigen...]Am Südpol des Jupitermondes Europa rauschen riesige Fontänen aus Wasserdampf ins All. Das haben deutsche Forscher mit Hilfe des "Hubble"-Weltraumteleskops herausgefunden. Die Hoffnung auf die Entdeckung von Leben unter dem
Wissenschaftler und Techniker zermartern sich seit einiger Zeit das Hirn, wie man am Besten einen Tauchroboter landen und durchs Eis bringen kann. Es scheint niemand die Idee aufzugreifen, den Roboter durch einen der Vulkanschlote, die ja zweifellos Verbindung zum flüssigen Teil des Ozeans haben müssen, einzuschleusen. Möglicherweise scheitert dies an der Notwendigkeit einer präzisen Punktlandung oder der Tatsache, dass die Vulkanschlote in Wirklichkeit nur Risse sind und/oder hochgradig dynamischen Strukturänderungen unterliegen, da bin ich überfragt. Die derzeitige Alternative, sich durch 100km Eis zu schmelzen oder zu bohren, scheint mir jedoch mit unseren Mitteln nicht realisierbar. Man stelle sich vor, auf Europa oder Enceladus würde Leben gefunden, dann muss das Weltall praktisch voll davon sein.
Alle Kommentare öffnen
Seite 1 von 6    
Ihr Kommentar zum Thema
Bitte melden Sie sich an, um zu kommentieren.

ANZEIGE

News verfolgen

HilfeLassen Sie sich mit kostenlosen Diensten auf dem Laufenden halten:

alles aus der Rubrik Wissenschaft
Twitter | RSS
alles aus der Rubrik Weltall
RSS
alles zum Thema Jupiter
RSS

© SPIEGEL ONLINE 2013
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung der SPIEGELnet GmbH

SPIEGEL ONLINE Schließen


  • Drucken Versenden Merken
  • Nutzungsrechte Feedback
  • Kommentieren | 27 Kommentare
  • Zur Startseite
Trainieren Sie Ihr Gedächtnis!


ANZEIGE

ANZEIGE


ANZEIGE