SPIEGEL ONLINE - 09. Februar 2007, 11:56
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SATURN-MOND ENCELADUS

Lackiermeister des Sonnensystems

Der Mond Enceladus versprüht Eiskristalle, die dem Saturn seinen blauen Ring geben - und dessen Monde ungewöhnlich hell glänzen lassen. Dass diese Brocken so viel Licht reflektieren, können sich Forscher nur mit der Glitzer-Beschichtung erklären, die Enceladus verteilt.

Die kleine Eiskugel hat grünliche Tigerstreifen, unter seiner frostigen Oberfläche werkeln geheimnisvolle Kräfte. Und an seinem Südpol steigen Schwaden gefrorenen Wassers ins Weltall auf - mutmaßlich von einer Art Geysir gespeist.

Enceladus: Glitzer-Beschichtung für die Saturn-Monde

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"Saturns geologisch aktiver Mond Enceladus wurde passenderweise nach jenem mythologischen Giganten benannt, der die Lava-Feuer des Vulkans Ätna produziert", schreibt die Astronomin Anne Verbiscer von der University of Virginia. In der Wissenschaftszeitschrift "Science" veröffentlicht sie zusammen mit Kollegen die Analyse von Messungen des Weltraumteleskops "Hubble", die Enceladus als kosmischen Lackiermeister erscheinen lassen.

Der Saturnmond gilt als das Objekt im Sonnensystem mit dem größten Reflexionsvermögen. Das bedeutet, dass er pro Flächeneinheit mehr Licht zurückwirft als jeder andere bekannte Mond oder Planet. Physiker benutzen den Albedo-Wert, um diese Eigenschaft zu beziffern. Enceladus' geometrischer Albedo liegt bei fast 1,4 - während die meisten anderen Eismonde des äußeren Sonnensystems auf nicht mehr als 0,2 bis 0,4 kommen.

Der geometrische Albedo kann größer als 1 werden, wenn ein Körper besser in die Richtung des einfallenden Lichts reflektiert als eine perfekt diffus reflektierende weiße Scheibe. Bei einem solchen idealtypischen Vergleichskörper wird ein gewisser Anteil des Lichts in alle Richtungen gestreut. Besser und mit weniger Streuung könnte beispielsweise ein Spiegel reflektieren - oder auch eine Eiskristall-besetzte Mondoberfläche.

Am 13. Januar 2005, als Sonne, Erde und Saturn in einer seltenen, nahezu perfekten Konstellation zueinander standen, konnte "Hubble" aus der Erdumlaufbahn Aufnahmen machen, die auch einige andere Saturnmonde zeigen: Epimetheus, Janus, Mimas, Tethys, Dione und Rhea. Die Fotos des Weltraumteleskops waren gut genug, um auch die Reflexionswerte dieser Saturn-Begleiter zu bestimmen.

Auch Nachbar-Monde reflektieren überdurchschnittlich

"Alle Albedos sind erheblich höher als frühere Schätzungen", berichtet Verbiscer. Mit Ausnahmen von Janus und Epimetheus erreichten oder überschritten die Monde einen Wert von eins - ähnlich hell wie ihr glitzernder Bruder Enceladus. "Verwunderlich", findet Verbiscer, "weil die anderen Himmelskörper alte, inaktive Oberflächen haben".

Die Forscher suchen den Grund für die hohen Albedo-Werte der gemessenen Monde bei Enceladus. Schließlich ist bekannt, dass er mit seinen am Südpol ausgestoßenen Eispartikeln den E-Ring des Saturns füttert.

Im vergangenen März hatten die Geophysiker Joachim Saur und Fritz Neubauer von der Universität Köln die Magnetfelddaten aus den Messungen der "Cassini"-Sonde analysiert und in "Science" beschrieben: Am Südpol von Enceladus gibt es eine deutliche Verformung, die von der Eisfontäne herrührt.

Der Saturn hat rund 100.000 einzelne Ringe, die wichtigsten werden mit Buchstaben bezeichnet. Der Ring E ist an seiner inneren Kante 180.000, an seiner äußeren 480.000 Kilometer vom Planeten entfernt. Der Mond Enceladus umrundet den Saturn in einer mittleren Entfernung von 238.000 Kilometern - also in direkter Nachbarschaft des Rings.

Die Argumentation der Astronomen: Alle vermessenen Monde - außer Epimetheus und Janus - drehen sich im Bereich des E-Rings um den Saturn. Dabei sammelten sie offenbar viele Enceladus-Eispartikel auf. Sie würden so mit sauberen, eisigen Mikrostrukturen beschichtet, "welche geeignet sind, das Reflexionsvermögen zu verbessern". Entsprechend farbig haben die Forscher ihren Kurzbeitrag in "Science" überschrieben: "Cosmic Graffiti Artist Caught in the Act" - kosmischer Graffiti-Künstler in flagranti erwischt.

Denn Enceladus liefert die kosmische Glitzerschicht, die seine Mond-Brüder glänzen lässt - die ohne ihn, längst von Einschlagskratern überzogen und mit Staub bedeckt, viel matter am Himmel stünden.

stx




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Zum Thema im Internet:

Wissenschaftsmagazin "Science"
http://www.sciencemag.org
University of Virginia
http://www.virginia.edu/
Universität Köln
http://www.wiso.uni- koeln.de